Kleine Zunftgeschichte

Schlins im Jänner 1994

Wenn man die Geschichte der Handwerkerzunft Schlins-Röns betrachtet, so kann man von drei großen Abschnitten sprechen – dem Zeitraum von der Gründung 1725 bis 1883, dem Zeitraum 1900 bis 1950, über den wir leider keine Aufzeichnungen mehr besitzen, und dem Zeitraum von 1950 bis heute.

1725 wurde die Handwerkerzunft Schlins-Röns aus der Handwerkerzunft der Jagdberggemeinden mit Sitz in Satteins herausgelöst. Die Handwerkerzunft hatte neben ihrer offiziellen Aufgabe der Regelung des Gewerbewesens im örtlichen Bereich –also Aufgaben, die heute teilweise mit denen von Innungen und Handelskammer vergleichbar sind – jährlich einen Zunftjahrtag abzuhalten, verbunden mit einem Gottesdienst für die verstorbenen und lebenden Mitglieder der Zunft. Dieser Tag wurde seit der Gründung 1725 bis einschließlich 1974traditionsgemäß am ersten Montag nach Dreikönig abgehaalten. Ab 1975 wurde der Zunfttag auf Samstag (nach Dreikönig) verlegt, damit es allen Mitgliedern möglich ist, daran teilzunehmen. Nach dem Gottesdienst traf man sich in der Zunftherberge zur allgemeinen Aussprache bzw. zur Vollversammlung. Die Zunftherberge war bis 1875 im Gasthaus Krone und wechselte dann ins Gasthaus Hirschen in Schlins.

Mit der neuen Gewerbeordnung, die 1883 in Kraft trat, verlor die Handwerkerzunft ihre offizielle Aufgabenstellung und ist seither mehr der Tradition und dem Gemeinsinn verbunden. Zunftmeister Robert Begle schreibt in seinem Vorwort im Protokollbuch: „Der Handwerker- und Gewerbezunft kommt die Aufgabe zu, den Zunftgeist zu pflegen, die handwerkliche Facharbeit zu fördern, damit das Handwerk, wie es früher der Fall war, erneut der eigentliche Träger der Volkskultur werde.“

Leider sind in den Wirren der beiden Weltkriege alle Aufzeichnungen über die Tätigkeiten der Zunft von 1900 bis 1950 und auch die Zunftlade verlorengegangen; doch über den Zeitraum davor existieren noch einige Bücher und Schriften, die heute im Landesarchiv aufbewahrt werden. Aus mündlicher Überlieferung wissen wir, dass beherzte ältere Handwerker auch in den Kriegs- und Rezessionsjahren traditionsgemäß den Zunftjahrtag abhielten.

Das erste Protokoll nach dem Zweiten Weltkrieg stammt aus dem Jahre 1950 und gibt wieder Aufschluss über die Tätigkeiten der Handwerker- und Gewerbezunft Schlins-Röns.

Es werden alle neuen Mitglieder aufgeschrieben, der im jeweiligen Zunftjahr verstorbenen Mitglieder wird gedacht, aber auch kleine Episoden und Besonderheiten finden Erwähnung. So kann man nachlesen, dass 1962 Johann Barwart mit 92 Jahren seine 75-jährige Mitgliedschaft feierte.

Hier sollten nun auch die fünf Zunftmeister genannt sein, die seit 1950 an der Spitze standen und das Zunftwesen förderten: Urban Müller, Metzgermeister (1950-53), Robert Begle, Bäckermeister (1953-63), Bernhard Hartmann, Schreinermeister (1963-69), Anton Bühel, Schlossermeister (1969-75), Engelbert Ott, Schneidermeister (ab 1975).

Doch die Handwerkerzunft lebt nicht nur von der Traditionspflege und vom Feiern. So ist es immer wieder gelungen, namhafte Referenten für die Zunftversammlung zu gewinnen. Deren Themen haben heute ihren aktuellen Stellenwert.

1962 referierte Innungssekretär Gmeiner von der Handelskammer über die Entstehung der Handwerkerzünfte und ihren strengen Bestimmungen bei der Ausbildung von Lehrlingen bis zum Meister und zog Vergleiche mit der heutigen Entwicklung des Handwerkes.

1977 zeigt der Geschäftsführer der Sektion Gewerbe Herr Dr. Hofer in seinen Ausführungen die Bedeutung des Handwerks in der Vergangenheit und Gegenwart auf und weist auf die Wichtigkeit eines starken Gewerbe- und Mittelstandes für unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur hin. Im Protokoll der Zunftversammlung von 1963 spricht Dr. Hofer bereits über die Bedeutung der kleinen und mittleren Gewerbebetriebe in der Gegenwart und der nahen Zukunft. Weiters über die bisherige Entwicklung der EWG und EFTA unter Berücksichtigung der neutralen EFTA Mitglieder, besonders Österreichs, sowie über das Forderungsprogramm, welches das Gewerbe an die Bundesregierung erhob im Hinblick auf die zu erwartende „europäische Integration“!

Zu den wichtigen Ereignissen der Zunft gehört auch die Einweihung der neuen Zunftlade im Jahre 1980, wodurch nach vielen Jahren ein großer Wunsch der „Zünftler“ – nicht zuletzt durch den Einsatz und die Spendenfreudigkeit einiger Mitglieder – in Erfüllung gegangen ist.

Ein Zeichen einer intakten Gemeinschaft ist immer die gute Entwicklung deren Mitgliederzahl. So waren 1964 noch 99 Mitglieder, erhöhte sich deren Zahl bis 1974 auf 128 und verdoppelte sich bis 1990 auf 197 Mitglieder.

1991 präsentierten sich die Gewerbetreibenden anlässlich des Feuerwehrfestes in einer kleinen Ausstellung, die sehr großen Anklang bei der Bevölkerung fand. Die Ausstellungsstücke waren gleichzeitig Preisspenden für das Zunftquiz auf dem Fest. Mit dem ansehnlichen Erlöskonnte ein kleines Auto für den Krankenpflegeverein mitfinanziert werden.

Ein langersehnter Wunsch und Forderung vieler Zunftmitglieder war eine Zunftfahne, die das Symbol der Zusammengehörigkeit sein sollte. 1993 wurde auf der Jahreshauptversammlung beschlossen eine Fahne anzuschaffen. Der Zunftausschuss wählte aus verschiedenen Entwürfen den Vorschlag von Furioso (Roland Ott) aus. Dieser zeigt auf der einen Seite das Gemeindewappen von Schlins und Röns sowie die Zunftzeichen mit den Jahreszahlen 1725 und 1994. Die Rückseite zeigt einen Wagner bei der Arbeit, einen Berufsstand, der sehr alt ist und für die Entwicklung der Wirtschaft von hoher Bedeutung war. Weiters sieht man zwei Hände, die ein Rad halten. Die Gedanken des Künstlers „Es wird sich ewig drehen, das Rad, das da einer schuf. Die Zeit bleibt nicht stehen“ runden die Darstellung ab. Furioso schreibt in der Einladung zur Fahnenweihe: „Das Rad begleitet die Menschheit seit Jahrtausenden und findet  in den verschiedensten Handwerksberufen seine Verwendung. Die Hand sehe ich als Zeichen menschlichen Werkens, und dass trotz der körperlichen Erleichterung durch den technischen Fortschritt immer der Mensch mit seinen Händen das wichtigste Gut im Arbeitsleben sein soll“.

Am 8.1.1994 wurde die Fahne  in der Pfarrkirche im Beisein verschiedener Fahnenabordnungen der örtlichen Vereine und der umliegenden Zünfte und unter Mitwirkung des Kirchenchores von Pfarrer Theo Fritsch feierlich  eingeweiht. Das vielleicht nicht immer ganz so leichte Ehrenamt der Fahnenpatin übernahm Begle Isabell. Bei der anschließenden Feier im Wiesenbachsaal hielt Landeshauptmann Dr. Martin Purtscher die Festrede. Für  die Wirtschaftskammer sprach Vizepräsident Kommerzialrat  Ing. Georg Ludescher. Der Bürgermeister der Gemeinde Schlins Mag. Karlheinz Galehr und der Bürgermeister der Gemeinde Röns Anton Gohm überbrachten Gratulationen und Grüße aus den Gemeinden. Der Gesangverein Eintracht Schlins-Röns und die Gemeindemusik Schlins umrahmten dieses Fest, das ein Fest der ganzen Dorfgemeinschaft, ein „Fest unter Freunden“ war.

Der Abend gehörte dann wieder dem alljährlich stattfindenden Zunftball, bei dem dieser besondere Tag einen gebührenden Ausklang fand.

 

Burkhard Mähr - Archivar